In Kleinanzeigen unter Tiermarkt werden Hunde in großer Menge angeboten: Mischlinge, Rassehund, Designerdogs und vieles mehr tummeln sich hier auf der Suche nach einer menschlichen Familie. Selten seriös und leider sieht die Realität oft so aus: Unüberlegte Anschaffungen, ein Mangel an hundefreundlichen Wohnungen, Trennung und Scheidung, berufliche Veränderungen und dergleichen mehr führen in vielen Fällen dazu, dass der süße Welpe schon nach wenigen Monaten wieder „auf dem Markt“ oder im Tierheim landet. Aber nun zur Kastration.
Die Tierheime quellen über, zugleich kommen stets neue Hunde aus dem Auslandstierschutz ins Land.
Kein Wunder also, dass immer wieder die Forderung nach einer generellen Kastration für alle Hunde gefordert wird, die nicht explizit zur Zucht verwendet werden, um die Flut unerwünschter Hundewelpen zu stoppen. Doch die Kastration ist nicht nur ein Mittel zur Geburtenkontrolle, sondern zugleich auch ein operativer Eingriff. Wir beleuchten die Kastration mit ihren positiven und negativen Aspekten.
Eine Unterscheidung
Zunächst einmal eines: Kastration und Sterilisation sind zwei paar Stiefel, auch wenn Sie im Volksmund gerne similar verwendet werden. Sterilisation meint eine Unterbrechung der Fortpflanzungsfähigkeit und hat keinen Einfluss auf den Hormonstatus, während Kastration ein Entfernen der Keimdrüsen meint, wodurch das Tier mit den Eierstöcken beziehungsweise den Hoden eine Produktionsstelle für Hormone verliert, wodurch es auch zu Verhaltensänderungen kommen kann.
Bei den Rüden gibt es die Möglichkeit, entweder lediglich der Samenleiter zu durchtrennen (Sterilisation), oder aber die Hoden komplett zu entfernen (Kastration).
In ersterem Fall bleibt der Hormonstatus eines intakten Rüden erhalten: Der Hund ist weiterhin an läufigen Hündinnen interessiert und versucht sich im Deckakt – ähnlich wie ein Mann, bei dem eine Vasektomie vorgenommen wurde, bleiben Sexualverhalten und Persönlichkeit unbeeinflusst von dem Eingriff, lediglich die Fortpflanzungsfähigkeit ist beeinträchtigt. Da es bei dem operativen Eingriff allerdings normalerweise nicht ausschließlich um ein Unterbinden der Fortpflanzungsfähigkeit geht, wird normalerweise direkt eine Kastration durchgeführt.
Im Falle einer Kastration werden durch das Fehlen der Hoden auch deutlich weniger männliche Hormone produziert: Der Rüde verliert das Interesse an der Fortpflanzung, weshalb andere Rüden weniger als Rivalen empfunden werden. Auch Territorialverhalten und Dominanzgebaren lassen häufig nach, da die Alpha-Stellung im Rudel stets auch mit der Fortpflanzungsfähigkeit verbunden ist – nur das Alpha-Männchen darf sich fortpflanzen, wer es nicht darf/kann, der hat eine niedrigere und damit friedlichere Stellung im Rudel inne.
Auch bei Hündinnen kann schlichtweg der Eileiter durchtrennt werden, um sie zu sterilisieren. Allerdings wird das Weibchen dann weiterhin läufig und die Wahrscheinlichkeit von Scheinschwangerschaften steigt stark an. Zudem revidiert die Natur den Eingriff in vielen Fällen in wenigen Jahren – die bereits durchgeführte Operation muss wiederholt werden, da die durchtrennten Eileiter wieder zusammengewachsen sind.
Deshalb wird auch hier normalerweise zur Kastration geraten, bei der die Eierstöcke komplett entfernt werden. Je nach Form der Kastration wird entweder die Gebärmutter mit entfernt oder verbleibt im Leib – welche Form für eine Hündin besser geeignet ist, muss der Tierarzt individuell nach medizinischen Aspekten entscheiden.
Vorteile der Kastration
Neben dem offensichtlichen Vorteil, dass kastrierte Hunde keinen unerwünschten Nachwuchs zur Welt bringen können, birgt die Kastration auch andere Vorteile. Wie bereits aufgeführt, kann der durch die Kastration geringere Hormonstatus bei Rüden dazu führen, dass sie friedlicher, verträglicher und ruhiger werden. Dennoch ist eine Kastration in keinem Fall eine Alternative zu einer sorgfältigen, verantwortungsvollen Erziehung.
Bei Hündinnen sinkt durch die frühe Kastration vor oder direkt nach der ersten Läufigkeit das Risiko von Tumoren am Gesäuge , auch Gebärmutterkrebs und andere Krebsarten, die die Geschlechtsmerkmale betreffen können so weitgehend reduziert werden.
Nachteile der Kastration
Das Hauptargument ist die verständliche Tatsache, dass eine Kastration nach wie vor ein operativer Eingriff ist, der unter anderem auch einer Narkose bedarf und somit auch gesundheitliche Risiken für das Tier birgt. Hier ist §6 des Tierschutzgesetzes zu nennen, in dem unnötige operative Eingriffe ausdrücklich untersagt sind – die Notwendigkeit einer Kastration sollte deshalb stets sorgfältig mit allen Vor- und Nachteilen abgewogen werden.
Die unter Vorteilen aufgeführten Verhaltensänderungen können ebenfalls durchaus auch negativ gewertet werden: Statt davon zu sprechen, dass der Hund ruhiger wird, werden Befürchtungen laut, er könne träge, faul, apathisch werden. Gerade bei Arbeits- oder Sporthunden ist dies oftmals unerwünscht.
Auch das häufig nach einer Kastration auftretende Übergewicht, sowie die Gefahr, das weibliche Tiere nach dem Eingriff vermehrt an Inkontinenz leiden, werden häufig und zu Recht aufgeführt.
Ein weiteres Argument, ist die Unmöglichkeit der Revision des Eingriffes: Einmal kastriert, immer kastriert. Zur temporären Geburtenkontrolle bis zum „optimalen Fortpflanzungszeitpunkt“ ist eine Kastration deshalb niemals geeignet.
Von einer zu frühen Kastration wird abgeraten, da die Hormone aus den Geschlechtsdrüsen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung und auch auf die Persönlichkeit des Hundes haben – deshalb sollte mit einer Kastration immer gewartet werden, bis der Hund ausgewachsen ist: Je nach Rasse ist das frühestens nach 1,5 Jahren, bei größeren Rassen aber häufig auch erst ab dem 3. Lebensjahr der Fall.
Alternativen zur Kastration
Tatsächlich ist die Kastration keineswegs der einzige Weg, einen Hund unfruchtbar zu machen. Die Sterilisation wurde bereits erwähnt, auch wenn diese aus genannten Gründen vor allem bei Hündinnen selten Anwendung findet. Auch beim Rüden wird im Regelfall hauptsächlich aus Verhaltensgründen kastriert, weshalb auch hier die reine Sterilisation nicht den gewünschten Effekt bringen würde.
Bei Rüden wird immer häufiger ein sogenannter Kastrationschip gesetzt. Dieser wird unter die Haut implantiert und gibt je nach Gewicht über 6-12 Monate konstant Deslorelin ab, wodurch eine temporäre Unfruchtbarkeit und ein Rückfahren der Hormone erreicht wird – man spricht hier auch von chemischer Kastration. Für Rüden, die temporär keinen Einsatz in der Zucht finden, aber zu späterem Zeitpunkt decken sollten, ist der reversible Kastrationschip eine Wahl. Und auch Halter, die eine dauerhafte Kastration möchten, aber Befürchtungen bezüglich der zu erwartenden Verhaltensänderungen haben, greifen gerne auf den Kastrationschip zurück und nutzen diesen als „Probelauf“ für die eigentliche Kastration.
Bei Hündinnen kann man alternativ auch zwischen der Hormoninjektion oder der Antibabypille wählen – beide Möglichkeiten bergen allerdings ein großes gesundheitliches Risiko für die Hündin: Die Gefahr, an Gebärmuttervereiterungen oder Tumoren zu erkranken ist signifikant erhöht.
Unsere Meinung: Ein chemischer Eingriff ist keine Lösung. Mögliche Nebenwirkungen stehen in keinem gesunden Verhältnis zur Wirkung.
Sonderfall Tierschutz
Ein Sonderfall was die Kastrationen betrifft, ist zweifelsfrei der Tierschutz, insbesondere der Auslandstierschutz: Um die unkontrollierte Vermehrung vor allem von Straßentieren zu vermeiden, wird hier oftmals zu Massenkastrationen gegriffen. Dies ist durch TSchG §6 Abs.5 als „Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung“ abgesichert. Und durchaus auch sinnvoll: Denn werden Tiere auf der Straße ohne Kontakt zu freundlich gesinnten Menschen geboren, werden sie auch nicht auf den Menschen geprägt – Probleme bei einer spätere Haltung in der Familie sind wahrscheinlich und das Straßenhund-Problem wird weiter verschärft. Zudem muss dringend das Bild der Menschen vor Ort geändert werden, um die Situation von Straßenhunden jemals verbessern zu können. Dafür ist eine Geburtenkontrolle auf der Straße unabdingbar.
Nur EINMAL!
Viele Hundehalter argumentieren, sie möchten ihren Hund „nur EINMAL“ Junge bekommen lassen, bevor er oder sie kastriert wird. Bei Hündinnen wird oftmals argumentiert, dass damit das Risiko von Scheinschwangerschaften gemindert werden soll, bei Rüden damit, dass ihr guter Charakter doch unbedingt weitergegeben werden muss. Beiden Argumenten mangelt es allerdings an Fundament: Was die Hündinnen betrifft, so gibt es keinerlei wissenschaftlichen Beleg für die Richtigkeit der Behauptung – im Gegenteil. Studien haben nachgewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit von Scheinschwangerschaften bei Hündinnen am geringsten ist, wenn diese direkt nach der ersten Läufigkeit kastriert werden.
Rüdenhalter, die ihren Rüden „nur EINMAL“ decken lassen wollen, erleben manchmal ein durchaus böses Erwachen: Denn durch den Deckakt verändert sich die Rolle des Hundes im Rudel – wer sich fortpflanzen darf, der nimmt eine höhere Position im Rudel ein. Deshalb passiert es oft, dass Rüden nach dem Decken plötzlich ein Dominanzverhalten an den Tag legen, unerwartet ressourcenbedingte Aggressionen zeigen und ihre neue Position im Rudel gegen die „schwächeren“ Rudelmitglieder verteidigen. Beschwerden, der Hund habe sich „völlig grundlos“ verändert, werden häufig laut, wenn der Rüde sich fortpflanzen durfte. Daran ändert sich auch nach einer daraufhin erfolgten Kastration häufig recht wenig – wirkungsvoll ist hier nur konsequentes Training. Das Verhalten ist jedoch nicht zu verallgemeinern, es ist auch rassebedingt. Rüden die decken dürfen, können auch durchaus entspannter werden, oder verändern sich überhaupt nicht.
Abwägen, Entscheiden, Verantwortung übernehmen
Ob eine Kastration durchgeführt werden soll oder nicht, muss jeder Hundehalter individuell abwägen. Gesundheitliche Aspekte sollten bei der Entscheidung eine ebenso große Rolle spielen, wie moralische: Bedenke stehts, wie viele Hunde allein in Deutschland auf der Suche nach einer geeigneten Familie sind, bevor Du der Versuchung eines Wurfes süßer Welpen vom eigenen Hund erliegst.
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